Biokunststoffe verarbeiten – Projekt mit hohem Praxisnutzen ging erfolgreich zu Ende
(Hannover, 13.02.2018) In fünf Jahren Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) konnten viele verarbeitungsrelevante Daten erhoben und die Herstellung spannender Produkte aus Biokunststoffen kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) zumeist erfolgreich vorangetrieben werden.
Hierzu gehört z. B. die Klickbox der Firma Buchsteiner, die mit Attributen wie formschön, solide, langlebig, hochwertig und zuverlässig wirbt. Bisher waren die meisten dieser Attribute das Ausschlusskriterium für Biokunststoffe. Die ersten Bemühungen des Unternehmens auf ein biobasiertes Material umzusteigen, führten zu wenig zufriedenstellenden Produkten, die den Qualitätsansprüchen der Firma nicht entsprachen.
Getestet wurde das Material an einer Brotdose, deren Deckel nach wenigen Malen des Auf- und Zuklappens am Scharnier brach. „Am Markt zeigt sich ein neuer Trend: Von Verbrauchern werden zunehmend nachhaltigere Verpackungslösungen auch im privaten Haushalt gesucht. Leicht, praktisch, aber „bio“ und besonders dort, wo es um den direkten Kontakt zu Lebensmitteln geht, wäre es auch für uns ein Fortschritt, könnten wir biobasierte Kunststoffe einsetzen“, meint Produktionsleiter Andreas Metzler.
„Wir ließen uns also nicht demotivieren und blieben weiter auf der Suche nach dem passenden Material. Richtig fündig wurden wir letztlich erst durch die Unterstützung des IfBB (Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover).“
Im Rahmen des Verbundprojektes recherchierte das IfBB zunächst infrage kommende Materialien. Dabei waren die wesentlichen Anforderungen an das Polymer Bruch-, Kratz- und Spülmaschinenfestigkeit. Am Ende fiel die Wahl auf eine hochviskose- und eine niederviskose Bio-PE-Type. Nach ersten Abmusterungen stellte sich heraus, dass nur die fließfähigere Type die rheologischen Anforderungen des Werkzeugs erfüllen konnte. Diese ließ sich sehr gut verspritzen und die Nachteile gegenüber dem bisher verwendeten Polypropylen (PP) hinsichtlich der geringeren Kratzfestigkeit konnten ausgeräumt werden.
Neben den Ingenieuren am IfBB freut sich auch Andreas Metzler: „Das Produkt erfüllt auf den ersten Blick alle gewünschten Anforderungen und ich freue mich, dass es zukünftig biobasiert sein wird. Für uns machen die Materialeigenschaften die leichten Kostennachteile in jedem Fall wett und sicherlich wird sich an den etwas höheren Preisen bei steigender Nachfrage auch bald etwas ändern. Ich sehe auch für weitere Produkte aus unserem Sortiment gute Chancen, diese zukünftig aus biobasierten Kunststoffen herzustellen.“
Das Material besitzt bereits die Lebensmittelzulassung, nun muss diese nur noch für das Endprodukt erfolgen und der Verbraucher wird zukünftig eine „Bio-Brotdose“ erwerben können, ohne qualitative Abstriche machen zu müssen.
Biobasierte Kunststoffe, wie dieses Bio-PE, die vollständig oder zu großen Anteilen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, ersetzen endliches Erdöl und tragen somit zur Versorgungssicherheit und einer nachhaltigen Ressourcenwende bei. Die Entsorgung von Bio-PE kann gemeinsam mit anderem Verpackungsmüll wie ein herkömmliches PE über den Gelben Sack erfolgen und so dem Recycling zugeführt werden. Gelangt es in die thermische Entsorgung, also Müllverbrennung, erfolgt diese in den meisten Fällen CO2-neutral, weshalb das Bio-PE gegenüber konventionellen Kunststoffen umweltfreundlicher sein kann.
Weitere Informationen zum Projekt:
Im Forschungsprojekt „Biokunststoffe verarbeiten“ wurden – ähnlich wie an diesem Beispiel dargestellt - noch weitaus mehr Daten für viele weitere Biokunststoffe und unterschiedlichste Kunststoffverarbeitungsverfahren erarbeitet, allesamt bedeutsam für die Praxis der Kunststoffverarbeiter und alle frei zugänglich unter:
www.materialdatacenter.com und unter biokunststoffe-verarbeiten.de
Dieses Projekt war eines der ersten durch das BMEL geförderten, das nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung forcierte, sondern diese als Voraussetzung für das Gelingen machte. Insbesondere in der zweiten Projektphase standen die Fragestellungen kleiner und mittelständischer Unternehmen und ein entsprechender Technologietransfer im Mittelpunkt der Arbeiten des Verbundes.
Die nachfolgende Tabelle schafft einen guten Überblick über den Stand des Wissens zur Verarbeitung von Biokunststoffen. Viele Lücken wurden während des Projektes mit Daten gefüllt, die zunächst erarbeitet und dann aufbereitet wurden, um sie öffentlich zur Verfügung stellen zu können (grün gekennzeichnet).
Gemeinsam mit den Partnern vom Fraunhofer IAP, dem SKZ – Das Kunststoffzentrum und der Professur für Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung an der TU Chemnitz, SLK, wurden marktgängige biobasierte Kunststoffe in verschiedensten Verarbeitungsprozessen unter die Lupe genommen. Ziel war immer, die für den Verarbeiter relevanten Parameter genau zu definieren, um ihm so eine problemlose Verarbeitung zu ermöglichen.
Viele Felder blieben weiß. Dies signalisiert, dass hier noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Damit die Materialien von den Verarbeitern problemlos eingesetzt werden können, müssen zukünftig die Hersteller neuartiger Biokunststoffe die Verarbeitungsparameter umfassend bereitstellen. Mit diesem Projekt wurde ein erster Schritt zur Verbesserung der Informationsverfügbarkeit für die Verarbeitung biobasierter Kunststoffe initiiert. So konnten Vorbehalte bei Verarbeitern abgebaut werden. Zudem haben sich Strukturen und Kompetenznetzwerke aus dem Verbund heraus aufgebaut, die auch zukünftig Hilfestellung bei der Verarbeitung von Biokunststoffen ermöglichen.
Während des gesamten Vorhabens konnten durch die Verbundpartner insgesamt circa 225 Anfragen aus der Industrie unterstützt werden. Zudem wurden umfassende Informationsbroschüren erstellt und die Verarbeitungsparameter wurden in frei zugängliche Datenbanken überführt. Somit wurde ein bedeutender Beitrag zur Erhöhung des Einsatzspektrums und der verbesserten Verarbeitbarkeit von Biokunststoffen geleistet.
Informationen zum Projekt und die Ansprechpartner finden Sie auch nach Abschluss des Vorhabens unter:
www.verarbeitungsprojekt.ifbb-hannover.de
Von: Nuse Lack
Kontakt
Für weitere Fragen steht Ihnen Dr. Lisa Mundzeck am IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover unter Telefon 0511 9296-8448 oder per E-Mail an lisa.mundzeck@hs-hannover.de gerne zur Verfügung.